Offener Brief an OB Dieter Reiter

Als Antwort auf sein Schreiben vom 30.07.2018, in dem praktisch alle unsere Fragen unbeachtet und unbeantwortet bleiben, erhält unser Oberbürgermeister Dieter Reiter heute einen offenen Brief von der Bürgerinitiative Fauststrasse 90. Hierin werden alle fraglichen Punkte erneut  ausführlich thematisiert.

Wir erhoffen uns, damit endlich den offenen Dialog mit den politischen Spitzen und den Entscheidern im Referat anstoßen zu können, um den wir seit über einem Jahr vergeblich bitten.

 

 

 

Für die Bürgerinitiative Fauststraße 90                                                                München, 14.08.2018

Horst Münzinger

Hoferichterweg 13 a

81827 München

Tel.: 0176 44 64 64 98

www.fauststrasse90.de

 

Horst Münzinger, Hoferichterweg 13 a, 81827 München, BI Fauststraße 90

 

Herrn

Oberbürgermeister

Dieter Reiter

Landeshauptstadt München

Rathaus
Marienplatz 8

80313 München

 

 

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter,

 

im Namen der Bürgerinitiative Fauststraße 90 danke ich Ihnen mit diesem offenen Brief für Ihr Schreiben vom 30. Juli 2018 und für Ihre Anerkennung unseres von zahlreichen Münchner Bürgern getragenen Engagements zum Schutz der Landschaftsschutzgebiete in München.

Ihre Mitteilung freut uns, wonach Sie über den Verfahrensstand und die von uns geäußerten Anregungen rund um die geplante Bebauung im Truderinger Landschaftsschutzgebiet an der Fauststraße 90 informiert sind.

Als unverständlich und äußerst befremdlich nehmen wir allerdings Ihre Aussage zur Kenntnis: „Den inhaltlich zutreffenden Ausführungen des Referats für Stadtplanung und Bauordnung ist in der Sache nichts hinzuzufügen“.

Weil Sie auf das Antwortschreiben des Referats für Stadtplanung und Bauordnung verweisen, halten wir es für dringend geboten, Sie als Oberbürgermeister und als Dienstherr und Verantwortlichen erneut auf Mängel im Aufstellungsbeschluss vom 12. Oktober 2016 sowie auf gravierende Fehleinschätzungen und willkürlich anmutende Interpretationen in den laufenden Ausführungen des Referats (die von Politikern meist ungeprüft und kritikfrei übernommen werden) aufmerksam zu machen.

Im Aufstellungsbeschluss vom 12. Oktober 2016, dem die Stadtrats-Mehrheit zugestimmt hat, weichen die Angaben zur bestehenden Versiegelung sowie zur möglichen Straßenbreite und zum gegenwärtigen Landschaftsbild wesentlich von den tatsächlichen Gegebenheiten ab! Weitere Ausführungen im Aufstellungsbeschluss sind zumindest fragwürdig. Auf diese Unstimmigkeiten haben wir bereits mehrmals hingewiesen. Die Antworten waren allerdings ausweichend und unbefriedigend.

 

Wir fragen Sie: Trifft es also zu, dass der Münchner Oberbürgermeister einen Aufstellungsbeschluss hinnimmt, der nachweislich auf einer in wesentlichen Punkten nicht korrekten Datenlage basiert?

Gehen wir im zeitlichen Ablauf einen Schritt zurück.

Die Leitung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung erklärte dem Kreis der Stadträte bereits 2013, „dass ein Bebauungsplanverfahren, das hier unausweichlich wäre, angesichts der damit nur in geringem Umfang realisierbaren Wohnbebauung einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeute.“

Und weiter: „Deshalb sprechen landschaftsplanerische Aspekte deutlich gegen eine bauliche Nutzung, zumal das Grundstück in sensibler Lage zwischen zwei Teilen einer Splittersiedlung liegt, weshalb es besser zur Verbindung der südlich und nördlich gelegenen Teile des Truderinger Waldes zu einer Grünfläche entwickelt würde.“

Wir fragen Sie: Trifft es also zu, dass der Münchner Oberbürgermeister die unmissverständliche Warnung und die unverdächtige Empfehlungen des Referats für Stadtplanung und Bauordnung ignoriert und einen Aufwand (Steuergelder!) befürwortet, der gemessen an der realisierbaren Wohnbebauung als unverhältnismäßig eingestuft wird? Und trifft es zu, dass der Münchner Oberbürgermeister eine von fachlicher Seite fundierte Empfehlung zur Renaturierung des Grundstücks im Landschaftsschutzgebiet übergeht?

Gehen wir noch einen Schritt im zeitlichen Ablauf zurück.

Die Neue Heimat Bayern als damaliger Grundstückseigentümer gab 1969 eine von der Stadt München geforderte Verzichtserklärung ab, die auch für alle Rechtnachfolger im Eigentum gültig ist. Diese Erklärung diente dem Ausschluss von Ansprüchen und eben auch der Wahrung der erkennbar schlüssigen und lobenswerten Absicht der Stadt München, keine weitere Bebauung auf diesem Grundstück im Landschaftsschutzgebiet zuzulassen. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat deshalb einen auf die Sportanlage zugeschnittenen Bebauungsplan erarbeitet. Vor allem aber hat das Referat auch deshalb seit den 1970er Jahren korrekt gehandelt und bis 2013 Bauanfragen konsequent negativ beantwortet. Skandalös, wenn diese in Zeiten des Klimawandels noch wichtiger gewordene Absicht, Grünflächen und Kaltluftbahnen zu erhalten und zu schützen, als nicht beabsichtigt und überholt bewertet wird.

Wir fragen Sie: Trifft es also zu, dass der Münchner Oberbürgermeister gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Natur- und Klimaereignisse und der Diskussion darüber, den Schutz von Münchner Landschaftsschutzgebieten und Kaltluftbahnen geringer bewertet als seine Vorgänger?

Zurück zur Gegenwart. Konträr zur aktuellen Erklärung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung werden die strengen Vorgaben für den Landschaftsschutz nicht beachtet.

Massive Rodungen und Baumfällungen auf Grundstücken im Landschaftsschutzgebiet sind leider Realität. Fotos auf unserer homepage www.fauststrasse90.de belegen diesen Missstand eindeutig. Antworten auf unsere diesbezüglichen Anfragen erhielten wir bisher leider nicht. Aktuell wurden weitere massive Fällungen vorgenommen. Eine Anfrage hierzu ist bereits von engagierten Stadträten gestellt worden.

Scheinbar gerechtfertigt und legitimiert werden soll die geplante Wohnbebauung mit dem stereotypen Hinweis aus dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung und aus dem Munde von Politikern, wonach künftig weniger Fläche versiegelt sein wird als heute. Auf die falsche Beschreibung im Aufstellungsbeschluss (“Zusätzlich zur Versiegelung durch die Bestandsgebäude und Nebenanlagen (ca.5.400 m²) im zentralen Bereich sind nördlich die Zufahrten und eine befestigte Stellplatzanlage vorhanden´) haben wir bereits mehrfach hingewiesen.

Im Schreiben des Referats für Stadtplanung und Bauordnung vom 25.06.2018 wird die Versiegelung ausführlich thematisiert und der erhebliche Unterschied zur Beschreibung im Aufstellungsbeschluss deutlich. Absolut unverständlich ist bei der aktuellen Ermittlung der versiegelten Flächen durch das Referat die fehlende Unterscheidung nach dem Versiegelungsgrad. Das ist aber entscheidend, weil eine entsiegelte oder mit Kies oder Drainsteinen belegte Fläche nicht mit einer betonierten Bodenfläche gleichgesetzt werden kann. Gemäß der vom Umweltbundesamt verwendeten Definition bedeutet Versiegelung, dass der Boden luft- und wasserdicht abgeschlossen wird, wodurch Regenwasser nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen versickern kann und auch der Gasaustausch des Bodens mit der Atmosphäre gedrosselt wird.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht korrekt, die seit vielen Jahren aufgelassenen Tennisplätze und die mit Trennsteinen belegten Kfz-Parkflächen pauschal als zu 100 % versiegelte Flächen in die Berechnung der Gesamt-Versiegelung einzubeziehen. Richtig ist die vollständige Herausnahme dieser Flächen oder die zumindest nur teilweise Anrechnung, die bei den genannten Flächen wegen der hohen Durchlässigkeit nicht mehr als 20 % betragen darf. Dementsprechend ist von einer erheblich geringeren als der bisher immer wieder fälschicherweise genannten Gesamtversiegelung des Grundstücks auszugehen. Daraus folgt, dass der Wert, der sich durch die geplante Neuversiegelung ergibt, nicht geringer, sondern im Gegenteil höher ist als der Bestandswert.

Nicht nachvollziehbar ist die vom Referat geäußerte Behauptung, wonach die verkehrliche Belastung bei einer Nutzung der Sportanlage größer sein soll als bei einer Wohnanlage mit 70 bis 80 Wohnungen und rund 200 Bewohnern. Das Gegenteil ist doch der Fall. Denn angesichts der schlechten ÖPNV-Anbindung erzeugt die Anfahrt zu den weit entfernten Arbeitsplätzen, Kindergärten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, medizinischen, sozialen, kulturellen und Sporteinrichtungen ganztags massiven zusätzlichen Autoverkehr, besonders zu den Stoßzeiten.

Es ist ein Mehrfaches an Individualverkehr in den engen Wohnstraßen zu erwarten als beim Betrieb einer einfachen Sportanlage. Verschärft wird diese Situation durch parkende Fahrzeuge, die schon heute eine lediglich einspurige Befahrung der Fauststraße zulassen und deshalb zur permanenten Gefahrenquelle besonders für Kinder und Radfahrer werden.

Dass dennoch zur Unterlegung der Referatsauffassung auf die Meinung von Stadträten verwiesen wird, ist erschreckend. Denn ganz offenbar findet die Meinungsbildung zahlreicher Stadträte ausschließlich auf der Basis einer in weiten Teilen fragwürdigen Aktenlage und nicht aufgrund von Ortskenntnissen und der Kenntnis der realen Gegebenheiten statt.

In diesem Zusammenhang wirkt auch die neuerdings vorgebrachte Begründung aus dem Referat konstruiert und willkürlich, wonach das Grundstück dezentral liegt und schwer erreichbar sei und deshalb einen intensiven Sportbetrieb ausschließe. Ist demnach diese Fläche für rund 200 geplante Neubewohner mit in der Regel weiten Verkehrswegen weniger dezentral gelegen und leicht zu erreichen?

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die örtlichen Sportvereine seit vielen Jahren einen starken Mitgliederzuwachs haben und dringender Bedarf vor allem auch an einfachen Sporthallen wie die Anlage an der Fauststraße 90 besteht. (Auch die SPD-Stadtratsfraktion hat 2016 Sonderförderprogramme mit dem Mangel an Sportflächen und Hallen begründet!). Entgegen der völlig unverständlichen Behauptung, es sei kein Bedarf bekannt, belegt unter anderem ein aktuelles Schreiben des TSV Trudering an Frau Prof. Dr. Merk die Notwendigkeit, Hallenkapazitäten dringend zu erhalten.

Wir dürfen festhalten, dass zahlreiche Argumente, die die Richtigkeit unseres Anliegens stützen, aus dem Referat für Bauordnung und Stadtplanung, aus dem Stadtrat und aus den Wahlprogrammen der Parteien stammen. Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, können mit einer Ablehnung der Wohnbebauung im Landschafts- und Wasserschutzgebiet mit Frischluftleitbahn an der Fauststraße 90 auch die Schaffung eines Präzedenzfalles mit weitreichenden negativen Folgen für Münchner Grünflächen und Schutzgebiete verhindern. Zudem können Sie mit Ihrem Eintreten für den Erhalt der Sportanlage im Rahmen eines Gesamtkonzepts ein Signal setzen für die Förderung des Breitenspots und gegen Grundstücksspekulationen durch Immobilieninvestoren auf Kosten der Stadtkasse und der Bürgerinnen und Bürger.

Selbstverständlich stehen wir sehr gerne auch persönlich für Gespräche, nähere und fundierte Informationen zur Fauststraße 90 und für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Über eine Einladung zu einem Informations- und Meinungsaustausch mit Ihnen würden wir uns deshalb sehr freuen. Ihre Antwort erwarten wir gerne.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Horst Münzinger

Für die Bürgerinitiative Fauststraße 90