Offener Brief an Bürgermeister und Stadträte

Am Freitag den 08.12.2017 erhielten der Oberbürgermeister Dieter Reiter sowie alle Stadträte und stlv. Bürgermeister einen offenen Brief von uns, da unsere Anfragen an die Stadtratsfraktionen von SPD, CSU und Bündnis 90 – Die Grünen / Rosa Liste zuvor unbeantwortet blieben. Wir freuen uns auf den Dialog.

 

 

Für die
Bürgerinitiative Fauststraße 90
www.fauststrasse90.de

 

Horst Münzinger                                                         München-Trudering, 07.12.2017
Hoferichterweg 13 a
81827 München

 

Frau / Herrn
Stadträtin / Stadtrat

Rathaus, Marienplatz 8
80331 München

 

Offener Brief:
Stimmt der Münchner Stadtrat 2018 für Tabubruch, Umweltfrevel, Sportflächenvernichtung und Vertrauensverlust?

 

 

Sehr geehrte Frau …,
sehr geehrter Herr …,

 

vermutlich schon im Januar 2018 entscheiden Sie darüber, ob ein Grundstück an der Fauststraße 90 im Landschaftsschutzgebiet (LSG) Truderinger Wälder den Interessen eines Großinvestors geopfert und Bürger- und Umweltinteressen ignoriert werden sollen. Fällt die Entscheidung zu Lasten des Landschaftsschutzes aus, käme das einem bislang einmaligen Tabubruch mit negativen Folgen für den Münchner Klima- und Umweltschutz sowie für das Vertrauensverhältnis vieler Bürger in die Gestaltungs- und Problemlösungskompetenz der Kommunalpolitiker gleich.

 

Lesen Sie deshalb bitte unsere folgenden Infos und entscheiden Sie sich bitte in der Abstimmung gegen die Änderung des aktuellen Flächennutzungs- und Bebauungsplans Nr. 1209, der das Grundstück seit Jahrzehnten als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Freizeitanlage ausweist. Nehmen Sie bitte die fundierte Begründung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung in den beigefügten Kopien der Beschlussvorlagen ernst. Demnach hat bis zur Kommunalwahl 2014 das Planungsreferat jede Bauanfrage für dieses Grundstück korrekt und konsequent negativ beantwortet.

So führt das Planungsreferat die hohe Bedeutung für Naturhaushalt, Klima, den Arten- und Biotopschutz sowie Erholung an. Zudem liege das Grundstück in sensibler Lage zwischen zwei Teilen einer Splittersiedlung, weshalb es besser zur Verbindung der Waldteile zur Grünfläche entwickelt werden sollte.

Nicht aus eigenem Antrieb, sondern offenbar zugunsten wirtschaftlicher Interessen Dritter, musste das Referat für Stadtplanung und Raumordnung nach der Kommunalwahl 2014 mit der Überplanung des insgesamt 24.000 m² großen Grundstücks im Landschafts- und Wasserschutzgebiet an der Fauststraße 90 in der Grenzkolonie Trudering beginnen.

 

Als Auslöser ist wohl der Erwerb des Grundstücks 2012/2013 durch die damalige KLP GmbH & Co KG zu verstehen, einem Firmenteil der Immobilienfirma Optima Ägidius. Wie im Beschlussvorschlag nachzulesen ist, war der Optima die negative Haltung des Planungsreferats vor Kauf bekannt. Dem Eigentumsübergang folgte eine Bauanfrage von Herrn Stadtrat Dr. Matter und nach der Kommunalwahl im Juni 2014 ein Antrag der StadträteHans Podiuk (CSU), Walter Zöller (CSU), Christian Amlong (SPD), Dr. Ingo Mittermaier (SPD) und Heide Rieke (SPD) an die Verwaltung, mit der Planung zu beginnen.

 

Im Oktober 2016 stellte das Planungsreferat den Aufstellungsbeschluss vor, unter Berücksichtigung eines Antrags der Stadtratsfraktion Die Grünen /Rosa Liste, 60 bis 80 Wohneinheiten in kompakter Bauweise zu errichten. Der Aufstellungsbeschluss wurde vom Stadtrat gebilligt, somit die Planung, sieben Wohnblöcke mit drei bis vier Geschossen für ca. 80 Wohnungen sowie 119 Tiefgaragenplätze zu bauen.

 

Auf dem Grundstück befindet sich eine 1971 erbaute Sportanlage. Sie dient den Befürwortern der Bauplanung als Begründung für den Bau eines Wohnkomplexes. Eine in zweifacher Hinsicht unseriöse und beschämende Haltung. Zum einen legitimiert eine vergleichsweise kleine und in Jahrzehnten in den Grünraum eingewachsene Bausünde nicht dazu, den Landschaftsschutz zu ignorieren und mit dem Bau von sieben Wohnblocks und Tiefgaragen irreparable Schäden an Umwelt, Natur und Landschaft anzurichten.

 

Sehr zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, die geplante Bebauung werde den bisherigen Umfang der Bodenversiegelung nicht überschreiten. Hierzu sei angemerkt, dass uns aus dem Planungsreferat drei unterschiedliche, teils fragwürdige Auskünfte zu Art und Umfang der gegenwärtigen Versiegelung vorliegen. In Kombination mit weiteren fragwürdigen Angaben etwa zum Landschaftsbild, zur Straßenbreite, zur ÖPNV-Anbindung, die von der MVG aus straßenstrukturellen Gründen abgelehnt wird, und zur Verkehrsentwicklung, ist der Eindruck unvermeidbar, dass das Bauvorhaben auf Biegen und Brechen „durchgezogen“ werden soll.

 

Zum zweiten soll die Sportanlage nun geopfert werden, obgleich der Bezirk Trudering-Riem einen anhaltend starken Anwohnerzuwachs mit höchster Jugenddichte zu verzeichnen hat, und in diesem Zusammenhang schon vor Jahren der örtliche Bezirksausschuss und örtliche Vereine Engpässe bei der Versorgung mit Sportflächen und Hallen angemahnt haben. Auch der Stadtrat hat ein massives Defizit an Sporthallen festgestellt und deshalb in der Vollversammlung des Stadtrats am 16.12.2015 den Beschluss für ein Sonderförderprogramm gefasst. Im Antrag der SPD-Stadtratsfraktion „Sportflächenentwicklung München I“ vom 13.07.2016 heißt es zudem in der Antragsbegründung unter anderem: „In München besteht ein deutlicher und weiter stark wachsender Bedarf an geeigneten Sportflächen“.

 

Schon allein wegen des hohen, auch von der LH München im Planungskonzept Freiraum 2030 festgestellten, ökologischen Werts des Grundstücks als einzige Verbindung zwischen Nord- und Südteil des Landschaftsschutzgebiets Truderinger Wälder, als Korridor für Frischluftbahnen und als Suchraum für Ausgleichsflächen muss eine Zerstörung des Öko-Systems unbedingt verhindert werden. Verhindert werden muss auch, dass durch eine Genehmigung für Wohnungsbau im Landschaftsschutzgebiet Truderinger Wälder ein Präzedenzfall geschaffen wird, mit dem künftig Bauträger und Investoren die Stadt München bei Bauvorhaben in anderen LSG unter Druck setzen können.

 

Selbstverständlich überhören wir nicht die Begründung der Bau-Befürworter, wonach durch Neubau das Wohnungsangebot zur Schaffung preiswerten Wohnraums erweitert werden muss. Doch auf der Basis der Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre, zweifeln selbst Experten an dieser Formel, die als wirkungslos und mit negativen Folgen für Umwelt und Lebensqualität in München wahrgenommen wird. Vielmehr scheint ein Wandel vom ökonomischen zum nachhaltigen Handeln sinnvoll.

 

Retten Sie bitte einen wichtigen Münchner Grünraum vor der Vernichtung und stimmen Sie deshalb gegen die Änderung des bestehenden Flächennutzungs- und Bebauungsplans. Setzen Sie sich bitte bei Ihren Kolleginnen und Kollegen und im Stadtrat dafür ein, dass sich die Stadt München in Anlehnung an den Maßnahmenkatalog der Münchner Umweltreferentin um den Erwerb des Grundstücks bemüht und die Aktivierung der Sportanlage oder im Optimalfall die Renaturierung des Geländes vorantreibt.

 

Sehr gerne erläutern wir in einem persönlichen Gespräch, gern auch bei einem Ortstermin mit Ihnen, die hier auszugsweise genannten Positionen. Wir freuen uns deshalb über ein Terminangebot und hoffen auf Ihre Stimme pro Landschaftsschutz im Truderinger Wald!

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Horst Münzinger

Für die Bürgerinitiative Fauststraße 90

 

Weitere Infos, Lagepläne, Fotos und Illustrationen unter www.fauststrasse90.de

 

 

Anlage:
Kopie der Beschlussvorlage 2013 des Referats für Stadtplanung und Bauordnung